Planen und definieren

«Es gab vor der Pandemie eine etwas absurde Situation in der Schweiz, da es zwar einen Pandemieplan gab, man aber nur von einer Influenzapandemie ausgegangen ist.»

(Interview Spitalhygiene/Infektiologie, 16.02.2023)



«In 20 Prozent meiner Zeit bereite ich die Inselgruppe auf ausserordentliche Situationen vor: Das nennt sich Kataplan. Der Pandemieplan war gerade fertig, war aber ein Influenzapandemieplan. Wir hatten bereits die Erkenntnis – die jetzt, nach der Pandemie, noch stärker ist –, dass man zwar eine Grundidee eines Plans entwickelt, laufend analysiert und Vorkehrungen trifft, aber im akuten Krisenfall viel mit starker Führungskultur abdecken muss. Denn es wird immer ein bisschen anders sein. Und genau so ist es gewesen. Die Pandemie war sicher eine ausserordentliche Situation. Auf Bundesebene wurde die ausserordentliche Lage ausgerufen. Für uns als Spital blieb es jedoch noch unter der Schwelle der ausserordentlichen Lage, wie wir sie definieren, um in den Kataplan-Modus zu wechseln. Nur zwei-, dreimal am Abend, meist um neun Uhr, haben wir überlegt: Hey, wenn es so weitergeht, müssen wir in die ausserordentliche Lage, auch um in den Köpfen der Leute ein Zeichen zu setzen. Und jedes Mal sind wir zur Erkenntnis gekommen: noch gerade nicht.»

(Interview Kataplan, 02.02.2023)

Adaptieren und realisieren

«Die Boxen für die Mitarbeitertestung haben wir selbst gemacht. Die blauen Kübel sind sonst Entsorgungskübel für kontaminiertes Material. Die haben wir dafür verwendet. Einfach Schlösser gekauft, damit man sie nicht aufmachen kann und die Schreinerei hat uns einen Schlitz reingeschnitten. Wirklich pragmatisch und kostengünstig. Teure Luxuslösungen hätte es ab Katalog auch gegeben, bei den einschlägigen Lieferanten. Die mussten circa 18-mal vorbereitet werden. Fünf für die Aussenspitäler und 13 Stellen hier auf dem Campus. Mit der Zeit hat man dann reduziert, jetzt sind’s noch vier oder fünf.»

(Interview Zentrallager Transport + Logistik, 18.01.2023)



«Wir haben ad-hoc in einer kleinen Arbeitsgruppe in einem recht kurzen Prozess die aktuellen Hygienestelen entworfen. Man hat eine vorhandene halb-kommerzielle Lösung adaptiert, sodass diese nicht nur 500 ml, sondern einen 5-Liter-Desinfektionsmitteltank fasst, damit man diesen weniger oft auffüllen muss. Gleichzeitig musste man möglichst viel Maskenvolumen dranbringen, damit nicht nur 50 Masken dranpassen, wie bei kommerziellen Ständern, sondern 300. Das Problem war, dass es nicht nur eine, sondern circa 12 verschiedene Formate an Schachtelgrössen gab und wir haben dann eine Variante entworfen, in den alle ausser zwei passen. Dazu gab es ein Schulungsvideo, das die interne Kommunikation produziert hat, damit die Leute wissen, was sie an dem Ständer zu tun haben.» 

(Interview Spitalhygiene/Infektiologie, 16.02.2023)



«Was aus der Pandemie heraus entstanden ist, ist eine Broschüre für Patientenverfügungen. Die aus der Notwendigkeit heraus entstanden ist, sich mit dem Lebensende auseinanderzusetzen, auch wenn man vorher nicht an Krebs erkrankt oder schwer krank ist, sondern sich aufgrund von Covid plötzlich in einer anderen Situation befindet. Darum hat man eine Broschüre ‹In sieben Schritten zur Patientenverfügung› erarbeitet.»

(Interview Palliative Care, 14.12.2022)

Finden und wechseln

«Bis zur Pandemie trugen die Mitarbeiter:innen in den OPs blaue Einwegkleider. Dann gab es plötzlich Lieferschwierigkeiten und keine Einwegkleider mehr. Die Wäscherei hatte als Notlösung ein Mehrwegprodukt aus Kasack/Hose im Sortiment, aber in der Farbe Weiss. Um uns schnellstmöglich auszuhelfen, flog der Lieferant unserer Wäscherei uns zweimal eine Lieferung der Mehrwegware aus dem Ausland ein. Weiss im OPs, das wäre vorher nicht denkbar gewesen. Die Grosswäscherei suchte weiter nach einem Gewebe auf dem Markt, oder an Lager, um schnell blaue Kleider zu produzieren und fanden ein Mischgewebe. Die eigentlich als Zwischenlösung geplante Kleidung wurde in Mazedonien produziert und innert sehr kurzer Frist geliefert. Aufgrund dieser Herausforderung haben wir die Gelegenheit gepackt, um wieder zu Mehrweg zurückzukehren. Nach 10 Jahren arbeiten in Einwegkleidern aus Papier wurde der Wechsel akzeptiert, weil man die Lieferkettenschwierigkeiten von Papier gesehen hat. Wenn die unterbrochen ist, dann passiert nichts mehr. Unser Wäscheanbieter hat ein wunderschönes Gewebe. Ein Mikrofasergewebe, mit anti-bakterieller Ausrüstung, das sehr angenehm zu tragen ist und keine Fussel abgibt, da die Struktur des Garns einer Mikrofaser anders ist als zum Beispiel Baumwolle. Mein Favorit war und ist Textil. Für mich geht es auch um Nachhaltigkeit. Mehrweg ist fünfmal nachhaltiger als die Einweggeschichte. So hat die Pandemie uns dabei unterstützt, wieder zurück zu Mehrwegbekleidung zu finden.» 

(Interview Wäsche und Berufskleider, 11.01.2023) 



«Meine Aufgabe ist die Verbindung von der Pflege zum Einkauf, auch Unterstützung der Pflege bei der Suche nach Alternativen. Im Zusammenhang mit Corona hatten wir extrem viele Lieferengpässe. Da hat auch Material gefehlt, das mit der Pandemie nichts direkt zu tun hatte, wie spezielle Rasierer, die wir vor OPs brauchen, die die Haare einen halben Millimeter lang stehen lassen und die Haut nicht verletzen. Die passenden Scherköpfe waren nicht mehr in die Schweiz zu bekommen. Da waren wir wirklich kurz vor out-of-stock und hätten auch auf einen Artikel gewechselt, den wir sonst nie zulassen würden, so billige Einwegrasierli. Wir hätten sonst Geräte wechseln müssen, da haben wir uns mit der Spitalhygiene abgesprochen und beschlossen, falls sie wirklich ausgehen, brauchen wir die Einwegrasierer, bis wir wieder Ware haben. Oder auch bei der Einwegkleidung, da gab es über Monate keine Ware mehr. Da hat man dann mit der Wäscheversorgung und unserem Wäscheanbieter entschieden: Man wechselt auf Mehrweg und hält das auch bei, weil es ökologischer ist.»

(Interview Fachstelle Pflegematerial, 18.01.2023) 

Legen und prüfen

«Am Wochenende vor dem Lockdown hatten wir eine notfallmässige Bau-Sitzung, wie und wo wir eine zusätzliche Intensivstation einbauen könnten, damit wir – schlimmstenfalls – nicht im Zelt beatmen müssen. Die Spitalleitung hat entschieden, dass eine Special-ICU, die SICU, im INO-Stock D in den Lagern der OP-Säle errichtet werden soll. Innerhalb nur einer Woche wurde diese Station mit 31 zusätzlichen Betten gebaut. Es war erstaunlich, in welcher Zeit wir das hinbekommen haben. Wir reden hier nicht nur von Stromkabeln, die gelegt werden müssen, sondern effektiv von geschweissten Leitungen, Medizinalgasleitungen, Strom, LAN, WLAN. Wir brauchten Beatmungsgeräte und Spritzen-Infusionspumpen – das sind Geräte, die fast unverzichtbar sind und schwierig zu bekommen waren. Zum Glück haben wir den SICU nie in Betrieb nehmen müssen, denn das wäre wirklich fast wie Kriegsmedizin in einem Lazarett gewesen. Wir hätten es logistisch geschafft, aber für die Patient:innen sowie für die Mitarbeitenden hätte es massive Einschränkungen gegeben.»

(Interview Intensivmedizin, 24.01.2023) 



«Wir kümmern uns um die ganzen medizinischen Gerätschaften. 12’000 Mitarbeitende, 19’000 Geräte. Dann kam der 21. März. Die Tatsache: Jetzt müssen wir handeln, war gefallen. Das war ein Samstag, ich war zu Hause und bekam Anrufe von Task-Force-Beauftragten. Der Plan war ein Umbau unseres OP-Lagers zu einer SICU (Special Intensive Care Unit) Frist bis zum Abschluss - nächsten Donnerstag. Fragen wie: «Was braucht es für den SICU an Medizintechnik?» mussten rasch geklärt werden, um keine Zeit zu verlieren. Ich musste mich dann mit der Intensivpflege kurzschliessen. Zu dieser Zeit konnte ich nicht beurteilen, was ein ins Koma versetzter und künstlich beatmeter Covid-19 Patient alles an Technik benötigt. Da kam eine Menge zusammen. Die Patient:innen brauchen Ernährungspumpen, Atemgasanfeuchter, Infusionspumpen, Spritzenpumpen, mindestens drei pro Patient:in für Blutverdünner und sonstige Medikamente, Monitoring, Respirationsgeräte, die nicht einfach frei verfügbar waren. Zudem war ein Blutgasanalysator, Defibrillator, div. Halterungen und ein mobiles Dialysegerät zur Haemofiltration vonnöten. Sie müssen sich vorstellen, da waren keine Gasanschlüsse, nichts. Eine Firma hat dann Tag und Nacht Leitungen zur Medizinalgasversorgung (Sauerstoff und medizinische Druckluft) installiert, welche dann noch von Beauftragten abgenommen und geprüft werden mussten. Im Raum war ein riesiger Effort aller internen und externen Beteiligten spürbar. Dienstleistungen aus allen Disziplinen kamen da zusammen:  Elektroversorgung, Alarmierung, Lüftung, Brandschutz, IT-Netz, Sanitär, usw. Wir hatten einen Stufenplan mit 16 Plätzen in der ersten Phase, dann jeweils fünf dazu bis zum Maximum von 31 Plätzen. Mit dem minimalen Platz bei voller Auslastung wäre es schon speziell gewesen, dort zu arbeiten. Es ist ein massiver Aufwand gewesen, den wir betrieben haben, für ein Szenario, das dann glücklicherweise nicht eingetroffen ist.» 

(Interview Medizintechnik, 06.02.2023) 

Schauen und umsetzen

«Gewebemediziner:innen schauen sich Bilder an, histologische Schnitte, das sind sehr visuelle Menschen. Gewebe von lebenden Menschen, und dieses Leben möchte man erhalten, die richtige Therapie finden, damit die Krankheit möglichst rasch und effizient behandelt werden kann. Dafür braucht es aber stundenlanges Mikroskopieren. Das bedeutet für die Ärzt:innen langes, konzentriertes Arbeiten. Die Augen schauen, die Hände fokussieren und die Füsse bedienen das Diktiergerät. Der Preis, den die Ärzteschaft dafür bezahlt, ist eine ergonomischer: Die Gefahr, Rücken- und Haltungsschäden zu bekommen, steigt unweigerlich. Wird die zunehmende Digitalisierung dieses Problem lösen können? Nicht, wenn das Mikroskop, das Statussymbol der Gewebemediziner:innen, lediglich durch einen konventionellen Arbeitsplatz mit Laptop, Desktop, Bildschirm, Maus und Tastatur ersetzt wird. Mein Chef war immer der Ansicht, dass die Tätigkeit der Gewebemediniziner:innen eigentlich mit derjenigen der Pilot:innen vergleichbar ist und entwickelte vor vielen Jahren folglich die Idee, im Zeitalter der Digitalisierung das Mikroskop durch ein medizinisches Cockpit zu ersetzen, das sich durch Ergonomie, Design und Kosteneffektivität kennzeichnen sollte. So wurde der Pathojet geboren, dessen Entwicklung unabhängig von der Covid-Pandemie war. Bis vor kurzem liess sich niemand finden, der den Pathojet bauen wollte, bis ich, inspiriert durch die Gaming-Welt, eine Firma fand, welche Stühle nicht nur für die Gamer:innen, sondern auch für Flug-, Zug- und Baumaschinensimulation baut. Gesagt, getan. Anstelle eines ‹konventionellen› Arbeitsplatzes sitzen die Gewebemediniziner:innen in Zukunft in einem modular gebauten, medizinischen Cockpit. Der Stuhl ist ergonomisch verstellbar, der Bildschirm, die Tastatur und die Steuerung frei wählbar. Das Konzept und die Philosophie des Pathojets konnten wir an der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Pathologie (ESP) in Basel im September 2022 und der ‹United States and Canadian Association of Pathology (USCAP)› in New Orleans im März 2023 präsentieren. Drei Schlagwörter der Kongressbesuchenden widerspiegeln die Rückmeldungen: Ergonomie, Design und Kosteneffizienz. Der Pathojet ist eine ausgezeichnete Basis für die Digitalisierung im Fach der Pathologie oder wie man auch modern sagen könnte: der Gewebemedizin.»

(Interview Gewebemedizin und Pathologie, 14.12.2022)