Inselgeschichten: Inselgelände ohne Insel
26. Februar 2024
Seit 1884 steht das Inselspital an seinem jetzigen Standort. Viele Gebäude wurden seither abgerissen, andere wiederum geplant und neu gebaut. Wie kam es überhaupt dazu, dass das Inselspital seinen Standort wechselte – vom Zentrum vor die Tore der Stadt? Und vor allem: Was befand sich auf dem heutigen Inselareal vor dem Inselspital?
Vor 670 Jahren stiftet Anna Seiler ein Spital für 13 kranke und bedürftige Personen. Das Spital soll selbsttragend sein. Zur Stiftung gehören deshalb auch Alpen und Landgüter, deren Erlös das Spital finanzieren. Als Spitalgebäude dient das Haus «vor den Predigern» in der heutigen Zeughausgasse. Dort bleibt es für fast 200 Jahre. Dann ordnet die Berner Regierung im Rahmen der Reformation ihr Spitalwesen neu. 1531 wird das «Seilerinspital» deshalb in das Gebäude des aufgehobenen Dominikanerinnenklosters St. Michael verlegt. Das Kloster lag früher auf einer Aarehalbinsel beim Altenberg und ist deshalb auch als «Inselkloster» bekannt. Mit dem Umzug in die ehemaligen Klosterräumlichkeiten übernimmt das Spital auch den Namen und aus dem Seilerinspital wird das Inselspital. An diesem Standort – dort wo heute das Bundeshaus Ost steht – bleibt das Inselspital für mehrere Jahrhunderte. Es entsteht im frühen 18. Jahrhundert ein neues, dreistöckiges Gebäude aus Sandstein, das dann jedoch gut 100 Jahre später den gesellschaftlichen und medizinischen Anforderungen nicht mehr genügt. Ein Neubau wird gefordert – nun nicht mehr in der Altstadt, sondern an einem weitgehend unbebauten Ort.
Das alte Inselspital vor dem Abriss 1888 (Wikimedia Commons)
1884 wird das neue Inselspital eröffnet und zwar auf der sogenannten Kreuzmatte. Diese ist seit 1546 im Besitz der Inselspital-Stiftung. Denn es gibt noch eine zweite Anna, die eine zentrale Rolle in der Geschichte des Inselspitals spielt: Anna von Velchen stammt aus einem angesehenen Thuner Geschlecht und heiratet den Schultheiss von Bern, Petermann von Krauchthal. Als ihr Mann stirbt, erbt sie ein enormes Vermögen von 25'000 Gulden und gehört damit zu den reichsten Frauen Berns. Die kinderlose Anna von Krauchthal verschenkt noch vor ihrem Tod ihre Besitztümer. Sie berücksichtigt auch das Inselspital und vermacht ihm 1456 zwei Jucharten Reben im Altenberg inklusive einer Trotte, ein Gut zu Wentschatzwil (wahrscheinlich Gümligen) und einen Bauernhof in Höchstetten. Diese Güter tragen zur Finanzierung des Spitalbetriebs bei, doch von besonderer Bedeutung erweist sich die Schenkung eines Areals vor der Stadt: die Kreuzmatte.
Der Neubau auf der Kreuzmatte 1884 (Wikimedia Commons)
Doch was steht auf dieser Kreuzmatte, bevor es im ausgehenden 19. Jahrhundert zum Inselareal wird? Grösstenteils ist sie unbebaut – doch nicht ganz. Noch im sogenannten Mülleratlas aus dem Jahr 1798 ist eine «Brunnstube» zu erkennen, die seit dem 16. Jahrhundert die Berner Brunnen mit Wasser versorgt.
«Brunnstube» im Mülleratlas (1797/98) (Geodaten Bern)
Der Flurname Kreuzmatte gibt einen weiteren Hinweis auf die vorgängige Nutzung. Er stammt vom sogenannten «Elendenkreuz», das sich im Mittelalter an der Gabelung der Murten- und Freiburgstrasse befindet. Dort steht seit 1365 auch eine Kapelle, die die Berner Burger Niklaus von Gistenstein und Thomas Biderbo stiften. Ebenfalls seit dem 14. Jahrhundert befindet sich auf dem heutigen Inselareal eine Hinrichtungsstätte.
Galgen und Rabenstein auf einer Federzeichnung, um 1623 (Staatsarchiv Bern, AA VII 14a)
Dieses Areal liegt zum Zeitpunkt der Schenkung deutlich vor der Altstadt. Das sogenannte Hochgericht «obenaus» besteht aus einem «Rabenstein» für Enthauptungen, einem Galgen auf einem dreieckigen Sockel und einer «Hauptgrube», in der die Hingerichteten verscharrt werden. 1826 wird die Richtstätte schliesslich abgetragen und ab 1881 vom Inselspital überbaut. Kleine Ironie der Geschichte: Höchstwahrscheinlich steht dort, wo über Jahrhunderte Menschen hingerichtet werden, heute die Inselkapelle.
Früher Galgen - seit 1907 die reformierte Insel-Kapelle (Wikimedia Commons)